#camping #ausflug
__Datum__: 2025-08-16
Im Januar 2023 kam in unserer Freundesgruppe der Vorschlag auf, wir könnten einmal gemeinsam campen gehen. Die Umsetzung dauerte nur 2 1/2 Jahre, und so buchten wir Mitte Juni ein Wochenende auf einem Campingplatz in der Schweiz.
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## Die Vorbereitung
Die Wochen vor dem Trip war ich damit beschäftigt meine Verwandschaft abzutelefonieren um das benötigte Equipment aufzutreiben. Ich besitze weder einen Campingstuhl, einen Schlafsack oder eine Isomatte. Mann, war ich aufgeregt! Je näher das Wochenende kam, desto häufiger wurde ich von Wellen der Nervosität durchflutet. Der erste Camping-Trip meines Lebens!
Ich bin zwar schon fast 30 Jahre alt, jedoch habe ich noch nie eine Nacht auf einem Campingplatz verbracht. Das letzte Mal dass ich einen Schlafsack von Innen gesehen habe muss während meiner Konfirmationszeit gewesen sein.
Im Alltag verbringe ich nur sehr wenig Zeit im Grünen. Einige Male im Jahr findet man mich bei einer Tageswanderung, abgesehen davon bleiben nur meine wöchentlichen Fahrradtouren.
Ich selbst wäre nie auf die Idee zu campen gekommen. Im Normalfall mag ich die vier Wände meiner Wohnung um mich herum und ein festes Dach über dem Kopf. Die Vorstellung Sanitäreinrichtungen mit Wildfremden zu teilen lockt mich auch nicht vom Sofa.
Gerade dies war jedoch ausschlaggebend für meine Begeisterung: endlich verlasse ich einmal meine Komfortzone und probiere etwas Neues aus. Inspiriert von meinen literarischen Helden - Eric Shipton, Jon Krakauer, Ed Viestrus, und Heinrich Harre - sah ich mich schon in einem epischen Kampf mit den Kräften der Natur verwickelt.
Bis zur letzten Minute hatte ich noch Angst, dass der Trip buchstäblich ins Wasser fallen würde. Die ersten Wochen des Augusts regnete es ununterbrochen. Zwei Tage vor Reisebeginn kehrte der Sommer endlich zurück und ich konnte mich am Donnerstag gegen Mittag auf den Weg machen. Die erste nacht verbrachte ich noch im komfortablen Gästezimmer eines Freundes bevor wir am Freitag zu Dritt nach Iseltwald am Brienzersee aufbrachen.
## Ankunft
Bei der Fahrt nach Iseltwald kam ich aus dem Staunen nicht heraus. Mein Blick schweifte über das Panorama des Berner Oberlands und blieb an den schneebedeckten Gipfeln der Berge und ihrer Gletscher hängen. Noch nie zuvor hatte ich solche Berge gesehen.
Bei der Ankunft in Iseltwald lösten sich meine "Into the Wild" Fantasien sofort in Luft auf. Die größte Herausforderung des Wochenendes stand unmittelbar bevor: die Suche nach einem Parkplatz.
Nach einigem hin und her wurden wir fündig und zu Fuß machten wir uns, vollbeladen wie Packesel, auf den Weg zum Strandbad. Iseltwald fühlt sich an, als würde man durch eine sehr kitschige Postkarte spazieren. Das türkisfarbene, klare Wasser des Sees ist schon fast zu perfekt. Die Häuser zu sehr geschmückt. Jeder Zentimeter dieser kleinen Ortschaft ist für den Tourismus optimiert worden. Das einzige Anzeichen dafür, dass ich mich nicht im Walliser Dorf des Europa-Parks befinde, ist ein kleines Schulgebäude in der Mitte der Ortschaft.
Am Campingplatz angekommen bauten wir etwas stümperhaft unser Zelt auf. Naja, eigentlich habe meine Freunde es aufgebaut und ich habe ihnen dabei zugeschaut. Nach Aufforderungen habe ich aber auch ab und an eine Stange gehalten.
Von dieser Tortur durchgeschwitzt haben wir uns für den Rest des Nachmittags im Strandbad verkrochen. Neben der kalten Cola hatte insbesondere das kalte Wasser des Sees eine erfrischende Wirkung auf uns.
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Gegen Abend haben wir uns auf den Weg in die "Innenstadt" begeben. Gefühlt habe ich mich hierbei als würde ich durch ein Freiluftmuseum für Touristen spazieren.
Der Hunger trieb uns letztendlich zu einem kleinen Imbiss am Ufer des Sees, wo wir für nur 21 CHF den langweiligsten Burger unseres Lebens "genießen" durften.[^1]
Nach einem längeren Aufenthalt in der Strandbar stand für mich die erste Übernachtung in einem Zelt an! Wie sich herausgestellt hat sind Schlafsäcke eigentlich sehr gemütlich, jedoch war das Zelt sehr klaustrophob und stickig.
## Die Giessbachfälle
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Der zweite Morgen begann damit, dass ich vor meinen Freunden wach wurde. Ich habe mich in meine Kindheit zurückversetzt gefühlt, als ich bei Freunden übernachtet habe und immer als erster Wach war. Ich habe mich aus dem Zelt geschlichen und den Morgen mit einem kleinen Spaziergang begonnen. Nach einigen Minuten entlang des Ufers fand ich eine Bank, auf der ich es mir gemütlich machte. Ich konzentrierte mich darauf die wunderschöne Umgebung in mir aufzunehmen. Abseits der vielen Touristen genoss ich die Stille und konnte ungestört in meinem Journal schreiben. Ich hatte mein kleines Shangri-La gefunden. Die Ängste, die Sorgen und der Stress der letzten Wochen viel von mir ab. Der Nebel in meinem Kopf verschwand und meine Gedanken gewonnen eine seltengewordene Klarheit. An diesem Ort wurde mir bewusst, wie die letzten Monate an mir gezehrt hatten. Als mich die ersten morgendlichen Jogger in meiner Ruhe störten war mir bewusst, dass ich nun zurück zum Campingplatz musste.
Nach meiner Rückkehr zum Zelt waren meine Freunde auch bald wach. Zum Frühstück kochten sie sich auf dem Campingkocher in ihrer Bialetti einen Morgenkaffee. Ich dagegen belass es bei einem spartanischen Frühstück bestehend aus Maiswaffeln und Wasser.
Nun war es Zeit für das Highlight des Trips: unsere Wanderung zu den Giessbachfällen.
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Im morgendlichen Schatten wanderten wir mit zügigem Schritt am Ufer des Sees entlang.
Unterwegs grüßten wir Wanderer aus allen Herren Länder. nach etwa anderthalb Stunden erreichten wir den Fuß der Wasserfälle. Ab jetzt ging es in die Höhe.
Den Luxus der ältesten, sich noch in Betrieb befindenden Standseilbahn der Schweiz schmähten wir. Stattdessen legten wir die Strecke zum Grandhotel Giessbach zu Fuß zurück. Dort angekommen entschlossen wir uns dafür, den Schildern die mit "Rundweg" bedruckt waren zu folgen. Dies taten wir jedoch nicht alleine - viele (internationale) Touristen hatten die gleiche Idee und ließen sich weder von mangelhaftem Schuhwerk noch von einem sperrigen Kinderwagen davon abhalten.
An dieser Stelle möchte ich mir einmal den Frust über eine besondere Art von Tourist von der Seele schreiben: es ist schade, dass so viele der Besucher diese wunderschöne Natur nur als Möglichkeit für einen perfekten Instagram-Post sehen. Eine Dame hat sogar Mitten auf dem Weg ihr Handy-Stativ aufgebaut und damit alle anderen Wanderer blockiert.
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An diesem Morgen machten wir mehrere hundert Höhenmeter gut. Ich fühlte mich euphorisch. Unser Aufstieg fand in meiner Höhenangst jedoch ein abruptes Ende. An einem gewissen Punkt wurde der Weg schmaler, und zwischen mir und einem Sturz standen anstelle von Geländern aus Holz zwei Drahtseile. Seit meiner Kindheit bin ich von Höhenangst geplagt, und dies war mir zu viel. Nach einigen Schritten kehrte ich wieder auf den besser befestigten Weg zurück. Glücklicherweise hatten meine Freunde, genau so schweißgebadet wie ich, kein Problem damit den Rückweg anzutreten.
Wieder am Grandhotel angekommen machten wir es uns auf der Außenterrasse gemütlich. Meine Beine zittrig von den Strapazen des Morgens war ich über die kurze Pause sehr dankbar. Ich fühlte mich zwar etwas fehl am Platz, das hinderte mich aber nicht daran ein leckeres Stück Apfelkuchen und eine Cola zu genießen.
Für den Abstieg waren wir uns für die Giessbachbahn nicht mehr zu gut. In 5-Minuten transportierte sie uns den restlichen Weg herunter zum See.
Dort angekommen hatten wir geplant mit dem Schiff die Reise zurück nach Iseltwald anzutreten. Als wir die überfüllte Wartehalle sahen besinnten wir uns eines besseren und machten uns zu Fuß zurück auf den Weg zum Campingplatz.
Nun lag das Ufer nicht mehr im Schatten. Die angenehme Kühle des Morgen war einer schwülen Wärme gewichen. Ich fühlte mich wie in Trance. Als ich wieder vor unserem Zelt stand, hatte ich das Ende meiner Kräfte erreicht.
## Heimweg
Nach einer kalten Dusche verbrachten wir den Abend in Interlaken. Die zweite Nacht im Zelt verging wie im Flug. Um 08:00 Uhr klingelte unser Wecker. Der Trip war vorbei. Nachdem wir herausgefunden hatten, wie genau man ein Zelt faltet, hatten wir gegen 10:00 Uhr unsere Taschen gepackt und machten uns auf den Weg nach Hause. Um 14:00 Uhr war ich wieder in Deutschland. Um 19:00 Uhr war ich daheim.
Auch wenn ich nur drei Tage lang weg war, so freute ich mich unheimlich darüber, meine Frau und unsere Katzen wieder zu sehen. Endlich wieder im eigenen Bett schlafen! Endlich wieder meine eigene Dusche nutzen!
## Und jetzt?
Der Trip war genau dass, was ich gebraucht habe. Einfach ein paar Tage mit meinen Freunden. Einfach raus aus der Wohnung. Einfach mal etwas neues erleben.
Eine Woche später steht für mich nur eines fest: es werden noch einige Camping-Trips folgen. Vielleicht gibt es in meiner Zukunft auch einmal mit dem Mountainbike durch die Schweiz.
[^1]: Wie dieser Laden es schafft bei Google 4,5 Sterne zu haben ist mir ein Rätsel. Ich schätze der wunderschöne Ausblick auf den See macht für viele das miserable Essen wieder wett.